Wirtschaftswunder

schlagbaum

Mit dem Kriegsende wandelte sich der Musikgeschmack. In den Liedern wurden Themen ohne Tiefgang angesprochen, welche überwiegend die neu erwachte Lebenslust und Sehnsucht nach Reisen ausdrückten. Die 50er Jahre waren die Zeit des Wiederaufbaus und Wirtschaftswunders. So ein Bild wie das Titelbild des ADAC-Ratgebers für Auslandsreisen aus dem Jahr 1956 hatte ich sofort vor Augen, als ich an die Zeit dachte, die ich allerdings nur aus Filmen oder Erzählungen kenne. Viele Schlager aus dieser Zeit zeugen von der aufkommenden Lebensfreude und den Träumen nach sonnigen Stränden im Süden.

Der Entertainer Götz Alsmann sagte einmal, dass ihn an der Musik der Nachkriegsjahre das große Geschick der Songautoren und Komponisten fasziniere, die mit einem gründlichen musikalischen Handwerk über teils lange Zeit Spitzenschlager geschrieben haben.

Video: Capri Fischer – Rudi Schuricke

Das Lied „Caprifischer“, das bereits 1943 vor Ende des Zweiten Weltkriegs entstand, wurde zunächst verboten, weil die Amerikaner bereits auf Capri gelandet waren.

Dieser Schlager war so beliebt, dass viele Interpreten nicht umhin kamen, ihn in ihr Repertoire aufzunehmen. Dazu gehört beispielsweise Vico Torriani, Catarina Valente, Die Flippers, Paola oder Max Raabe

Wer kennt nicht folgende Schlager des Jahrzehnts ?

Unter den Hitparadenstars der damaligen Zeit findet man Namen wie

Wenn etwa Bill Ramsey, der vom Jazz kam, aber den Schlager nicht scheute, die Zuckerpuppe aus der Bauchtanzgruppe besingt, die den vorderen wie auch den Hinteren Orient entzückt (eigentlich stammt sie aus Wuppertal), dann ist das ein Spaß, ein gelungener musikalischer Witz.

Das Hazy Osterwald Sextett landete mit dem Kriminal Tango einen Riesenhit. Auch das war ein gekonnt ausgeführter Spaß, aber für die Moralhüter, die der Adenauerzeit ihren grauen Stempel aufdrückten, deutete sich der Untergang des Abendlandes an.

Man hatte es sehr mit Sitte und Moral. Noch schlimmer Fred Bertelmanns Lachender Vagabund, eine brusthaarige Ungezogenheit! Standen da nicht mindestens zwei Hemdknöpfe zu viel offen? Der Schlager stand unter allgemeinem Verdacht, den kulturellen Niedergang rasant zu beschleunigen.

Es waren dramatische Jahre. Es begann die Zeit, in der die Bedeutung des deutschen Schlagers zurückging. Diese Entwicklung konnte mit den Verkaufszahlen und den Hitparaden belegt werden. Ausländische Interpreten stiegen in der Gunst des Publikums. Dies führte soweit, dass die ausländischen Sänger ihre Lieder auf Deutsch sangen. Auf durchaus revolutionär zu nennende Weise veränderte sich das Leben und es wurde die Grundlage für das geschaffen, was wir heute als selbstverständlich erachten.

Erstmals entstand zu der Zeit eine eigene Jugendkultur. Im ersten Nachkriegsjahrzehnt gelangte der Rock ’n’Roll nach Europa. Bekannte Namen sind Chuck Berry, Elvis Presley, Little Richard oder auch Bill Haley. Der amerikanische Einfluss wurde auch in den deutschen Schlagern deutlich. So forderte Gitte „Ich will ’nen Cowboy als Mann“. Der „deutsche Elvis“ Peter Kraus hatte mit „Tutti Frutti“ im Original von Little Richard oder „Sugar Baby“ große Hits.

Nehmen wir das Jahr 1959. Texas Instruments gab die Erfindung des Microchips bekannt. Die Antibabypille war reif für die Massenproduktion. Fidel Castro gelang eine für unmöglich gehaltene Machtübernahme auf Kuba. Deutschland (West) sonnte sich im Wirtschaftswunder und an Italiens Stränden. Ein Atomkrieg war nicht nur möglich, sondern wurde von dem damals vielbeachteten Zukunftsforscher Herman Kahn für das nächste Jahrzehnt vorausgesagt.
Es war eine Zeit von grenzenlosem Optimismus und (berechtigten) Vernichtungsängsten.

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